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Eigentlich ist es ein kleines Gewässer – und doch ist es gleichzeitig eine der größten Baustellen. Die Rede ist von dem an sich ganz friedlich vor sich hinplätschernden Selbach, der durch extreme  Niederschläge schon auch mal zu einem überschwemmenden Fiasko werden kann. Bereits bei einem zehnjährigen Hochwasser läuft der Bach in Ottenau über. Problematisch war vor allem der verrohrte Streckenabschnitt, der im Bereich des Kuppelsteinbades beginnt. Der Durchlass war mit einem Durchmesser von 1,5 Meter zu gering dimensioniert.  In den vergangenen Monaten wurde deshalb zwischen Kuppelsteinbad und B462 kräftig gebuddelt, Stahlbetonrohre verbaut und Steine gesetzt. Das Ziel: Hochwasserschutz für Ottenau und ein Selbach, in dem sich kleine Fische wohl fühlen und der sich wie ein natürlicher Bach wieder ins Landschaftsbild einfügt.
„Das wird aber eine ganze Weile dauern“, prognostiziert Hermann Wiegner. Der ökologische Fachbauleiter weiß wovon er spricht. Schließlich hat er schon einige hundert Bachläufe mitumgebaut oder verändert. Das macht dem ehemaligen Mitarbeiter der Fischereiaufsicht so viel Spaß, dass er auch jetzt im Ruhestand noch mit großer Gewissenhaftigkeit Fischtreppen baut. Von seinem riesigen Erfahrungsschatz profitiert nun auch Gaggenau. Fast 200 Stunden war er in den letzten Wochen vor Ort, um das etwa 320 Meter lange neue  Teilstück zwischen Kuppelsteinbad und Anschluss an die Murg so zu betreuen, dass eine Fischdurchgängigkeit möglich ist. Auf Deutsch: Er sorgt durch gezieltes Anlegen des Bachlaufes und Setzen der Steine dafür, dass bei jedem Wasserstand, Fische von der Murg in den Selbach gelangen können, um hier einen Schutz- und Lebensraum zu finden. Insbesondere zum Ablaichen kommen die Fische gerne in die kleineren Seitenflüsse. „Jungfische sind das beste Zeichen für den Erfolg unserer Arbeit“, erklärt der Fischtreppenbauer und erzählt mit strahlenden Augen, dass im Selbach schon neben zahlreichen Kleinfischen und Forellen auch das Bachneunauge gesichtet wurde.

Schutzraum für Bachfische
Doch damit die Fische kleine Nischen als Schutzraum finden und tatsächlich von der Murg hoch ins Tal hinauf sich ansiedeln, braucht es kontinuierlich durchströmendes Wasser und muss Versandungen sowie Ablagerungen vorgebeugt werden. „Die Steine, die wir setzen sind standsicher, strömungsgünstig, wartungsfrei und erzeugen vor allem vielfältige Strömungsmuster“, erklärt Wiegner das Geheimnis, das sich dem unbeteiligten Betrachter nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließt. Was wie achtlos im Bachbett liegende Steine aussieht, hat absolutes System und folgt einem genau durchdachten Schema. Die Höhe der Steine muss genauso stimmen wie ihre Lage („Nase nach unten“). Dabei kommt auch einiges an Physik ins Spiel: „Läuft das Wasser hier gegen den einen Stein, muss es über den nächsten wieder weitergeführt werden durch eine Engstelle“, erklärt Wiegner, während er im trockenen Bachbett steht und stolz auf das nun fast fertige Bachbett schaut. Oberhalb der Bachböschung lädt derweil erneut ein Laster eines Achertäler Granitwerkes Schwarzwälder Granitsteine ab. Einzeln werden sie schließlich in das Bachbett und den Bachrand gesetzt. „Aber nicht irgendwie“, erzählt Wiegner, dass er hierbei den Baggerfahrer penibelst dirigiert, bis der Stein optimal so sitzt, dass er alle Funktionen übernimmt, die er sich von dem Stein wünscht. Da kann es schon mal passieren, dass der Stein auch erst mal wieder am „Ufer“ landet und nicht genutzt wird.

Es kommt auf jeden Stein an
„Steine haben sehr viel Auswirkung“, verweist  er unter anderem darauf, dass sich unter den Steinen Fischnährtiere absetzen, die als Nahrungsgrundlage für die Fische dienen. Zur Lenkungsfunktion der Steine kommt dazu, dass sie die Turbulenz im Wasser erhöhen können und damit dazu beitragen, dass Feinsedimente weitergetragen werden und sich nicht absetzen. Im Bereich des Kuppelsteinbades ist die Wirkung der Steine schon schön zu beobachten, freut er sich über das gelungene  Werk. Bis es auch auf dem letzten, neuen Stück soweit sein wird, wird es noch einige Monate wenn nicht gar über ein Jahr dauern. Denn das bisschen Wasser, was derzeit aus dem Selbach kommt, wird im neuen Bachbett erst einmal versickern. Auch Christian Gaida, der die Maßnahme vom städtischen Tiefbauamt aus betreut, weist ausdrücklich darauf hin, dass es dauern wird, bis aus dem aktuell noch sehr nüchternen Bachlauf ein idyllisches Bächlein wird, das sich in die natürliche Umgebung einfügt. Wenn die Uferböschung erst mal bewachsen ist, „sieht es ganz anders aus“. Zudem geht Wiegener davon aus, dass sich dann hier noch viele Tiere ansiedeln werden. Von Eidechsen über Schlangen und Insekten bis hin zu Fischen.

Alter Selbach wird abgehängt

Dass sich die Fische in den Seitentälern wohl fühlen, zeigte der letzte Akt bevor, der „alte Selbach“ abgehängt wird und in das neue Bett geführt wird“:  Dieser Tage wurde durch Klaus Blasel der Bachteillauf abgefischt, der ab Mittwoch der Vergangenheit angehören wird. Der Spezialist aus Freiburg fischte elektrisch ab, um zu gewährleisten, dass nachher sprichwörtlich kein Fisch auf dem Trockenen sitzen bleibt.  Als Fischereibiologe ist er auch federführend für das laufende Lachsprogramm tätig.

Künftig können die Fische in das Selbachtal wandern. Bislang war die Verrohrung unter der B462 ein unüberwindbares Hindernis.

Fotos: Stadtverwaltung

BU: Der neue Bachlauf im Kuppelsteinbad bietet kleinen Fischen neuen Lebens- und Schutzraum

Hermann Wiegner lässt jeden Stein extra setzen, da jeder einzelne seine Funktion hat

Klaus Blasel fischt elektrisch den „alten Selbach“ ab, damit kein Fisch auf dem Trockenen strandet

Letzte Bauarbeiten am neuen Bachbett

Seit dieser Woche Geschichte: Der ehemalige Bachzulauf an die Murg

Hier mündet nun der Selbach ab sofort in die Murg