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Ab und an melden Rotenfelser einen beißenden Geruch.
© Stvw.

22.04.2022

Seit fast zwei Jahren beschweren sich immer mal wieder Rotenfelser Bürger, über Geruchsbelästigungen in ihrem Ort. Dabei klagen sie über einen beißenden Geruch, den einige vor allem der Firma Avient (früher Poly-One) zuschreiben. Woher oder woraus der wahrgenommene Geruch resultiere, sei aber weiterhin ungeklärt, schreibt die Stadt Gaggenau in einer Pressemitteilung.

Zwar ist die Stadt sachlich gesehen nicht zuständig für Emissionen, sondern das Landratsamt, aber dennoch hat sich die Stadtverwaltung eingeschaltet. „Uns ist wichtig, dass sich die Bürger in Rotenfels wohlfühlen und dazu gehört auch gute Luft. Gleichzeitig wollen wir aber auch keine Verdächtigungen unterstützen, die nicht nachweisbar sind“, erklärt Bürgermeister Michael Pfeiffer. Dieser Tage war er deshalb zusammen mit der Leiterin des Amtes Recht und Ordnung, Saskia Kindermann-Röhm sowie der Wirtschaftsförderin Kerstin Wiedemann-Ganter gut drei Stunden bei Avient und im Gespräch mit der Geschäftsführung. „Wir haben uns die Technik und die Produktionsabläufe erläutern lassen und quasi unsere Nase überall gehabt“, erzählt Michael Pfeiffer. Den von Bürgern beschriebenen Geruch konnten die drei dabei nicht wahrnehmen. „Natürlich riecht es in einem Kunststoffbetrieb auch etwas nach Kunststoff, aber im normalen Rahmen“, fasst Pfeiffer seinen Eindruck zusammen.

Zu dieser Erkenntnis kommt auch das Gewerbeaufsichtsamt des Landkreises, das erstmals im Juni 2020 Stichprobenkontrollen durchgeführt hat und seitdem jedes Jahr mehrfach unangekündigt vor Ort war, um Stichproben vorzunehmen. Auch das Umweltamt des Landratsamts hat bereits im Jahr 2021 aufgrund der Klagen eine Betriebsbegehung vorgenommen und die einzelnen Prozessschritte aller Anlagen untersucht. Eine weitere Begehung fand im vergangenen Jahr statt. Auch das Ordnungsamt der Stadt Gaggenau war bereits mehrfach in der Umgebung der Firma Avient. Alle Stichproben waren ergebnislos.

Zudem hat die Firma Avient selbst Spezialisten eingeschaltet und gebeten, die Anlagen zu überprüfen. Da die Abluft mit sogenannten „Nasswäschern“ eingesprüht und dann in einem Zyklon abgetragen wird, kommt diese als Ursache nicht infrage. Anders als bei herkömmlichen Aktive-Kohle-Filtern geht der Nasswäscher zudem sofort auf Fehlfunktion, wenn eine Unregelmäßigkeit festgestellt wird. Zusätzlich setzt die Firma laut Standortleiter Christian Busch seit 2021 auch einen Ozongenerator ein, der Ozon in die Abluft gibt, das organische und anorganische Verbindungen zerstört. In beiden Produktionshallen befinden sich neue Abluftanlagen. Über 2,2 Millionen Euro hat Avient in den letzten fünf Jahren in die Nachhaltigkeit investiert, Hauptprojekt waren dabei die hochwertigen Abluftanlagen. Um sicherzugehen, dass bei allen Produktionsabläufen keine beeinträchtigende Geruchsemission entsteht, wurden sämtliche Maschinen auf Fehlfunktionen überprüft, berichtet Busch.

Da alle denkbaren Quellen auf dem Betriebsgelände eliminiert werden können, stehen Stadtverwaltung, Gewerbeaufsichtsamt und die Firma Avient weiter vor einem Rätsel. „Niemand kann sich erklären, woher die Geruchsbelästigungen kommen“, resümiert Bürgermeister Pfeiffer. Er schließt sich deshalb der Bitte des Landratsamtes an, dass Bürger sich umgehend melden, wenn sie wieder den stark beißenden Geruch feststellen und zudem auch notieren, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten dieser festgestellt wurde „Wir alle wollen die Ursache herausfinden, um die Situation für alle zu verbessern“, fasst er das Gespräch mit Avient zusammen. Bürger sollten sich, sobald sie den beißenden Geruch wahrnehmen, direkt bei der Stadt Gaggenau, 07225/962-600 oder bei der Gewerbeaufsicht des Landratsamtes, Telefon 07222/381-4269 melden. Der Betrieb will zudem noch in diesem Sommer einen Tag der offenen Tür veranstalten, damit sich die Bevölkerung selbst einen Einblick in die Arbeit des Kunststoffherstellers verschaffen kann.
 

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Der Mittelständler ist Spezialist für hochtechnologisierte Kunststofflösungen, die in den verschiedensten Branchen von Automobil bis hin zu Gesundheit benötigt werden. Durch die perfekte Entwicklung und Abstimmung von unterschiedlichen Polymeren mit leistungsstarken Additiven, Farb- und Füllstoffen (Ölen, Mineralien, Metallen, Kohlefasern, Glasfasern…) gelingt es den Tüftlern im Innovation Center des Betriebes Lösungen für die verschiedensten Herausforderungen zu entwickeln. Aktuelle Beispiele, sind die Entwicklung von Lösungen um Kunststoffe wärme- oder stromleitfähig zu machen.

Auch Flammschutz oder UV-Beständigkeit sind weitere Attribute, die die Granulate von Avient wertvoll machen. Ein ganz anderes Beispiel aus der Gaggenauer Produktion sind Kunststoffe, die über Klebe-Effekte verfügen und die beispielsweise ganz praktisch beim Windelverschluss oder auch bei medizinischen Prothesen zum Einsatz kommen. Auch Schutzfolien für Smartphones fallen darunter. Die „Gaggenauer Granulate“ hat fast täglich jeder in der Hand: Zahnbürsten, Salatmesser und Schutzfolien für Handys sind Beispiele aus dem Alltag. Die Gaggenauer Niederlassung meldet alljährlich mehrere Patente und Erstmuster beim Patentamt an. In Gaggenau sitzt die europäische Entwicklungszentrale des Geschäftsfeldes „Engineered Materials“ des amerikanischen Konzerns, der an über 100 Standorten weltweit 8.600 Mitarbeiter hat. Der Standort Gaggenau zählt aktuell 165 Mitarbeiter.