Aktuelles
Das Landschaftsbild soll erhalten und gefördert werden
© Jörg Schumacher

20.10.2023

Etwa 16 Prozent der Gesamtflächen von Gaggenau sind als Kernflächen für den Biotopverbund ökologisch wertvoll – etwa 1.100 Hektar. Sie eignen sich dafür, in den länderübergreifenden Biotopverbund aufgenommen zu werden, der bis 2030 entstehen soll. Ziel ist, dem Artensterben Einhalt zu gebieten, die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich Tier- und Pflanzenarten wieder ansiedeln und vermehren können.  Zudem sollen bestehende Populationen wieder miteinander vernetzt werden, damit sie nicht aussterben. Dies war Thema der Informationsveranstaltung mit Exkursion, zu der die Umweltabteilung der Stadt Gaggenau kürzlich die Gebietskenner eingeladen hatte, die sich bei der Stadt gemeldet hatten.  Zu Gast war das Institut für Naturschutz und Landschaftsanalyse (INULA), das von der Stadt Gaggenau mit der Erstellung der Biotopverbundplanung für die Gemarkung Gaggenau beauftragt ist.  

Der größte Teil der offenen Flächen, also der Flächen, die weder besiedelt noch bewaldet sind, sind Streuobstwiesen, doch es gibt in Gaggenau auch Felsbiotope und Feuchtgebiete. 

„Wir haben Gebietskennerinnen und -kenner gesucht, die uns Hinweise darauf geben können, welche Gebiete in Gaggenau sie selbst als schützenswert empfinden und welche seltenen Arten dort vielleicht schon einmal gesichtet wurden“, erläutert Lisa Grieshaber, die in dieser Abteilung unter anderem für Umwelt- und Naturschutzfragen zuständig ist. Auch erwarten die Experten Aussagen darüber, in welchem Zustand sich die Biotope befinden, und Anregungen für Umweltschutzmaßnahmen.  Die Stadt Gaggenau ist – wie alle anderen Kommunen auch – dazu verpflichtet, am länderübergreifenden Biotopverbund zu beteiligen und die Flächen zu erfassen. Dies ist eine gesetzliche Vorgabe. Das Ziel: alle Biotope landesweit und auch länderübergreifend zu vernetzen und damit Voraussetzungen zu schaffen, damit möglichst viele Pflanzen- und Tierarten sich wieder ansiedeln und vermehren können. Die Flächen sollten miteinander verbunden sein.

„Die Stadt muss die rechtlichen Grundlagen schaffen, um den Verbund zu garantieren“, verdeutlichte Elke Henschel, Leiterin der Umweltabteilung. Die Herausforderung: Die Flächen sind zersiedelt und in vielen Fällen nicht miteinander verbunden. Schlechte Voraussetzungen für bedrohte Pflanzen- und Tierarten also, sich wieder anzusiedeln und weiterzuverbreiten.

Im Frühjahr und Sommer begutachtete INULA die Flächen. „Das, was wir gesehen haben, sind natürlich nur Momentaufnahmen“, erklärt Steffen Wolf, warum das Institut auch auf das Sachwissen der Bevölkerung angewiesen ist. Bei der Exkursion stellten Steffen Wolf, Dr. Franz-Josef Schiel und Linda Keil von INULA die einzelnen Kernbereiche, also erhaltenswerte Lebensräume, vor.  Die Teilnehmenden erfuhren, dass diese kategorisiert werden in trockene, mittlere und feuchte Standorte. Zudem stellten die Mitarbeiter die so genannten Zielarten vor, also Pflanzen und Tiere, für die ein Lebensraum erhalten oder geschaffen werden sollte.

Trockene Standorte machen in Gaggenau mit 60 Hektar den kleinsten Bereich aus, gelten aber besonders für Reptilien als wichtiger Lebensraum – und für Pflanzen wie etwa den Ausdauernden Knäuel, der auf trockenen Silikatfelsengruppen wächst. „Gaggenau hat schöne Felsbiotope, wie zum Beispiel den Lieblingsfelsen“, erläuterten die Umweltexperten. „Diese Felsen dürfen nicht zuwachsen.“

„Das Mähen und Abräumen der Streuobstwiesen ist ganz wichtig"´, sagte Dr. Franz-Josef Schiel. Nur so habe die Artenvielfalt eine Chance. Er erläuterte die ökologische Bedeutung anhand einer von ihm bewirtschafteten Streuobstwiese in Selbach. Von einem hatte er den Stamm stehen lassen. Hier entdeckte er die geschützte Wildbienenart „Heilziestschlürfbiene“ – die nun ebenfalls in die Kartierung mit aufgenommen werden soll.

Die so genannten mittleren Standorte, zu denen die Streuobstwiesen zählen, machen mit 900 Hektar etwa 80 Prozent der offenen Flächen in Gaggenau aus. 

Feuchte Standorte sind auf etwa 110 Hektar zu finden. Als Beispiel für die feuchten Kerngebiete, zu denen auch Seggenriede gehören, lernte die Exkursionsgruppe die Salzwiesen im Höllbachtal kennen. Diese wurden als Beispiel für vielfältige Übergänge der Offenlandschaften zum Wald vorgestellt. Auch hier sei Pflege wichtig. Als besonders schützenswerte Zielgruppe für feuchte Kerngebiete wurde die Gelbbauchunke genannt, die aufgrund ihrer herzförmigen Pupillen von Menschen als besonders mystisch wahrgenommen wird. „Die Gelbbauchunke hat hier im Höllbachtal kein Habitat. Sie kommt aber in anderen Gebieten von Gaggenau vor“, erläuterten die Experten. Was aber schon in diesem Gebiet gefunden wurde, war der Steinkrebs, die kleinste europäische Flusskrebsart. Dieser kann nur in besonders sauberen fließenden Gewässern überleben. Sie profitieren davon, dass die kleinen fließenden Gewässer in den feuchten Kerngebieten nicht „optimal an die anderen Gewässer angebunden sind“, so Dr. Franz-Josef Schiel. Damit blieben sie vom Kalikokrebs verschont, der schon viele Arten in den Gewässern verdrängt hat.